Massnahmenkatalog

Der Verein Bühnenmütter* e.V. Hat einen Maßnahmenkatalog für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in institutionalisierten Theatern Erarbeitet

HANDLUNGS-EMPFEHLUNGEN

für die Vereinbarkeit von Sorge- und künstlerischer Arbeit an Theatern

 

Maßnahmen-katalog

 

Präambel

Mit diesem Katalog wollen wir Bühnenmütter* einen Beitrag dazu leisten, dass Familie und Kunst kein Entweder-Oder mehr sein müssen, sondern beides angstfrei und zu guten Bedingungen vereinbar wird.

Wir empfehlen, die Begriffe Familie und Care sorgfältig für sich und die eigene Institution zu definieren sowie möglichst vielfältige Perspektiven einzubeziehen.

 

Sucht Euch die Aspekte aus, an die Ihr besonders glaubt und in die Ihr investieren wollt. 

Habt Mut, ungewohntes Terrain zu betreten.

Macht einen Schritt nach dem anderen.

Wertschätzt jede Veränderung.

Seid geduldig mit Euch und anderen.

Denn bereits mit einer kleinen Bewegung beginnt ein Prozess.

 

Wir wollen dazu verführen, im Wandel Schönheit zu erkennen.

Wir wollen Mut machen, Verbindungen zu schaffen mit Potenzial in die Zukunft.

Wir wollen soziale Nachhaltigkeit leben und fördern.

Denn wir alle können Dinge anders tun als bisher.

 

Wir Bühnenmütter* glauben daran, dass diejenigen Kulturbetriebe, die mit Kreativität und Hingabe bestehende gesellschaftliche Werte hinterfragen, Triebfedern sein können, um Care- und künstlerische Arbeit in Einklang zu bringen, und dadurch zukunftsfähig werden.

 

Dieses Papier kann nur ein Anstoß sein.

Der Wandel ist das, was wir alle gemeinsam daraus machen.

Die nachfolgenden Maßnahmen sind ein Werkzeugkasten an Handlungsempfehlungen und Anregungen, zusammengestellt für die Umsetzung in Theater- und Kulturinstitutionen.

Ergänzt werden sie um Forderungen nach Veränderungen auf politischer Ebene, die den Rahmen für eine nachhaltige Transformation der Institutionen schaffen.

 

1. Mögliche Maßnahmen auf betrieblicher Ebene

 

Sie können eigenverantwortlich oder im Rahmen einer Zielvereinbarung zwischen Institutionen und Zuwendungsgebern bzw. der Verwaltung umgesetzt werden.

 

•        Innerhalb einer Betriebsvereinbarung/Personalvereinbarung werden die Unterstützung der Vereinbarkeit von Care- und Erwerbsarbeit sowie deren Wertschätzung explizit hervorgehoben.

•        Es gibt im Betrieb eine Ansprechperson (mit Stellenkontingent), die Sorgearbeit-Leistende berät und unterstützt.

•        Vor Beginn jeder Probenphase findet ein verbindliches Produktionsgespräch aller Beteiligten statt, bei welchem besondere Bedürfnisse und Herausforderungen im Probenzeitraum ermittelt werden. Dieses Gespräch wird durch eine unabhängige oder besonders qualifizierte Person begleitet. Außerdem findet ein Check-Up Gespräch vor Beginn der Endproben statt.

•        Projektzeiträume können in der Jahresdiposition nach vorheriger Absprache mit allen Gewerken flexibel gestaltet werden. Z.B. muss die übliche 6-8 Wochen-Probezeit am Stück nicht der Standard bleiben.

•        Samstags finden keine regulären Proben statt. Bei Bühnen- und Endproben können Ausnahmen gemacht werden.

•        Es gibt einen Ruhe- und Stillraum mit Wickelmöglichkeiten für Mitarbeitende und Besucher*innen.

•        Es werden größere Gästewohnungen für Gäste bereitgestellt, die mit Kindern und Kinderbetreuung anreisen.

•        In der Organisation der Kinderbetreuung gibt es Unterstützungsangebote (z.B. Babysitterlisten für Gäste, theatereigene Tagesmütter oder eine Betriebskita).

•        Arbeits- und Probenpläne werden langfristig verbindlich, mindestens eine Woche im Voraus kommuniziert. (Wochenpläne)

•        Es finden verbindliche Schulungen und Fortbildungen für Personen auf Leitungsebenen statt, die eine lebensphasenorientierte Personalführung fördern. Es finden Schulungen und Fortbildungen für alle Mitarbeitenden und Gäste im Betrieb statt, die eine Sensibilisierung für Sorgearbeit anstreben.

•        Die Spielpläne werden in Bezug auf Gender, Ethnizität und Alter so divers wie möglich gestaltet. Dies dient dazu, sowohl die Gesellschaft zu spiegeln als auch alle Mitarbeiter*innen im Ensemble kontinuierlich zu beschäftigen.

•        Es besteht das Recht darauf, Vertragsverhandlungen ohne Begründung im Beisein einer neutralen, dritten Person zu führen.

•        Es besteht die Möglichkeit, Kinder bei Betreuungsengpässen mit ins Theater zu bringen.

•        Es gibt transparent kommunizierte Honorar - und Gagenspannen, welche z.B. Alter, Erfahrung und Familiensituation berücksichtigen.

•        Es gibt Wiedereinstiegshilfen und Programme für Menschen nach längerer Kinderpause z.B. Coaching, Beratung oder stufenweise Einstiegsmodelle.

•        Teilzeitstellen oder Jobsharing im künstlerischen Bereich und auf den Leitungsebenen werden, abhängig von der Betriebsstruktur, angeboten.

•        3 Prozent der Gesamtbudgets der Kultureinrichtungen fließen in Diversity-Accesskosten und die Vereinbarkeit von Kunst- & Sorgearbeit.

•        Eltern erhalten einen finanziellen Ausgleich für erhöhte Betreuungskosten aufgrund von Arbeit am Abend und am Wochenende. 

 

 

2. Notwendige Veränderungen auf legislativer Ebene

 

Die Umsetzung folgender Maßnahmen steht für relevante Themen der Gleichberechtigung, die auf politischer Ebene umgesetzt werden müssen. Sie bilden einen verbindlichen Rahmen für branchenspezifische Handlungsempfehlungen und können auch gesamtgesellschaftliche Transformation fördern.

 

•        Diskriminierung: In einer Novelle des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wird „Familiäre Fürsorgeverantwortung“ als Diskriminierungsmerkmal in §1 aufgenommen.

•        Gender Pension Gap: Im Zuge einer Reform der Rentenversicherung wird Sorgetätigkeit in erhöhtem Umfang mitberücksichtigt.

•        Die KSK wird angehalten, die bestehenden Zahlen zu Sorgetätigkeit der Versicherten zu erheben. Diese Zahlen ergänzen Erhebungen zum Gender Pay Gap.

•        Analog zum Kündigungsschutzgesetz besteht Nichtverlängerungsschutz für Eltern in der Elternzeit und mindestens zwei Monate über die Elternzeit hinaus.

•        Der Mutterschutz wird auch für Soloselbständige ins Grundgesetz implementiert.

•        Ausgleich für Care-Arbeit: Eltern mit Kindern unter 12 Jahren haben die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit bei voller Bezahlung auf bis zu 70 Prozent zu reduzieren.

•        Es gibt eine institutionell unabhängige Anlaufstelle für die Vereinbarkeit von Care-Arbeit im Kulturbetrieb. Sie unterstützt alle Care-Arbeit-Leistenden und berät Institutionen bei der Umsetzung von Sorgearbeit-freundlichen Strukturen.

 

  

Quo Vadis Maßnahmenpapier?

 

Der Bühnenmütter e.V. hat den Maßnahmenkatalog als ein Angebot zur Transformation an Theater- und theaternahen Institution formuliert und wir wünschen uns eine möglichst breite Anwendung. Dazu haben wir folgende Maßnahmen ergriffen:

 

•        Mai 2024: Veröffentlichung des Maßnahmenkatalogs

•        Sommer 2024: Pressegespräch gemeinsam mit dem BFDK und dem vom

Landesbüro NRW entwickelten “Leitfaden für Eltern-gerechtes* Produzieren in den Freien Darstellenden Künsten” (AT) (Datum und Veröffentlichung ausstehend)

•        Im Frühjahr 2024 wurde ein Antrag beim ESF-Programm „Wandel der Arbeit“ gestellt, für das wir ein Konzept entwickelt haben, welches Weiterbildungsprogramme für Theaterinstitutionen im Rahmen einer Care-Management-Maßnahme in einem dreijährigen Projekt ab Herbst 2024 an fünf Modellhäusern vorsieht. (Rückmeldung Interessenbekundungsverfahren Juni 2024)

•        Ab Spielzeit 2024/25: Workshopangebot für Institutionen der Darstellenden Künste zur Erläuterung und Implementierung des Maßnahmenkatalogs.

  

Impressum:

Der Maßnahmenkatalog wurde von der AG “Familiensiegel” des Bühnenmütter* e.V. erstellt und innerhalb eines Think Tanks am 12.01.2024 in Berlin mit Akteur*innen aus den Darstellenden Künsten überprüft.

Kontakt: kontakt@buehnenmuetter.com

Presse: presse@buehnenmuetter.com

 

Mitglieder AG “Familiensiegel” und Teilnehmende des Think Tanks:

Johanna Bantzer, Nora Bussenius, Nelly Danker, Anna Gerhards, Annika Mendrala, Teresa Monfared, Sigrid Plundrich, Anne Zacho Søgaard, Verena Usemann, (Carla Nettelnbreker und Juliane Schenk) . Teilnehmer*innen des Think Tank: Janina Benduski (Fairstage, LAFT) Marcia Breuer (Mehr Mütter für die Kunst!) Anton Butter, (Fundraising), Cilgia Gadola (BFDK), Cornelie Kunkat (Deutscher Kulturrat) Wagner Moreira, (Chefchoreograph) Moritz von Rappard (Prozessbegleitung) Hans Georg Wegner (Generalintendant). Zusätzliche Beratung: Sonja Laaser, Maren Lansink, Ludwig von Otting, Henrike von Platen.           

                                                                                           

Der Think Tank wurde gefördert aus Mitteln des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Über ein Jahr hinweg hat eine Arbeitsgruppe des Bühnenmütter* e.V. Vorschläge für eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen für Theaterschaffende mit Care-Verpflichtung erarbeitet.

Die Arbeitsgruppe, bestehend aus Künstler*innen aus den Bereichen Schauspiel, Operngesang, Regie, Szenografie und Dramaturgie, diskutierte ihre Vorschläge anschließend im Rahmen eines vom BMFSFJ geförderten Think Tanks mit Expert*innen aus Kultur und Politik.

Der vorliegende Maßnahmenkatalog ist das Ergebnis dieses Prozesses.